Wenn Beamte etwas gleicher als Beamtinnen sind

Gibt es ein Gender Pay Gap im Beamtentum? Dort, wo alles minutiös durch Besoldungsordnungen geregelt ist? Das kann doch gar nicht sein! Oder doch? Zur Antwort darauf will ich Ihnen eine Geschichte erzählen – meine Geschichte.

Acht Jahre – eine Amtsperiode – war ich Bürgermeisterin einer 20 Tausend-Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg. Von verschiedenen Seiten wurde ich 2011 gebeten, für dieses Amt zu kandidieren, da der Amtsinhaber in den Augen zahlreicher Bürger glücklos agierte. So hatte ich im Wahlkampf viel positive Resonanz und gewann die Wahl.

Der Gemeinderat musste nun über meine Besoldung entscheiden. Laut Gesetz gibt es für die einzelnen Gemeindegrößenklassen jeweils zwei mögliche Besoldungsgruppen. In der ersten Amtszeit kann der Gemeinderat entscheiden, ob die neu gewählte Bürgermeisterin zunächst die niedrigere oder gleich die höhere Gruppe bekommt. In der zweiten Amtszeit muss die höhere gezahlt werden.

Mein Vorgänger befand sich in der ersten Amtszeit. Der Gemeinderat hatte ihm acht Jahre zuvor dennoch gleich die höhere Besoldung zugewiesen. Nun stand ich ebenfalls am Beginn der ersten Amtszeit. Und erhielt – die niedrigere Besoldungsgruppe.

Mit dieser Entscheidung hatte ich nicht gerechnet. Dennoch leitete ich keine juristischen Schritte ein. In der achtjährigen Amtszeit meines Vorgängers hatte es in der Stadt viel Unruhe gegeben. Ich wollte nun erst mal Ruhe einkehren lassen und nicht gleich mit einem neuen Konflikt an den Start gehen.

Nach der Hälfte meiner Amtszeit brachte eine Gemeinderatsfraktion das Thema Besoldung wieder auf die Agenda. Nun eingeholter juristischer Rat zeigte, dass der Gemeinderat seinen damaligen Beschluss als rechtwidrig einstufen und damit aufheben könnte. Das Gremium entschied sich jedoch mit großer Mehrheit dagegen. Es fürchtete den Gesichtsverlust durch das Zugeben einer Falschentscheidung.

Ich fasste den Entschluss, in keine zweite Amtszeit zu gehen. Im Herbst 2019 wurde mein Nachfolger gewählt. Seit Januar 2020 ist er im Amt. Der Gemeinderat hatte kurz zuvor über seine Besoldung für die erste Amtszeit entschieden. Er bekam die Höhere.

Damit war für mich das Fass übergelaufen. Ich nahm mir einen Anwalt, um eine Klage auf Schadenersatz für entgangene Besoldung und Altersvorsorge nach dem Antidiskriminierungsgesetz vorzubereiten.

Kürzlich wollte mein Nachfolger mit mir über ein Vergleichsangebot sprechen. Es entpuppte sich als Vorschlag, man könne mich ja bei meinem Engagement für das Thema Gender Diversity oder sonst wie beim beruflichen Wiedereinstieg unterstützen. Man vermute, dass dies das Motiv für meine Klageandrohung sei. Finanziell gesehen könne man mir maximal 10% der geforderten Schadenersatzsumme anbieten.

Ich antwortete, dass es mir einzig darum ginge, gleiches Geld für gleiche Arbeit zu erhalten. Und dass ich in diesem Sinne einfach nur die entgangenen Euro haben möchte. Das löste bei der Gegenseite so etwas wie Verblüffung und unverständiges Erstaunen aus.

Die Klage ist pünktlich zum Equal Pay Day am 11. März 2021 eingereicht worden. Ich bin zuversichtlich, dass ich den Prozess gewinne. Und einen Gewinn gibt es schon heute: Die Geschichte ist nun öffentlich und leistet einen Beitrag zur wichtigen Diskussion um das Gender Pay Gap, das es eben nicht nur in der Wirtschaft gibt, sondern auch dort, wo Gesetze und Verordnungen eigentlich alles gleichmäßig regeln sollten.

Aus meinen Recherchen weiß ich, dass ich kein Einzelfall bin. Vielleicht wäre es an der Zeit, das Thema Gender Pay Gap auch im öffentlichen Dienst und im Beamtentum einmal näher zu beleuchten.

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